Prof. Dr. Heiko von der Gracht übernahm 2018 den Lehrstuhl für Zukunftsforschung an der School of International Business and Entrepreneurship (SIBE) der Steinbeis-Hochschule. Im Jahr 2020 war er als Lehrstuhlinhaber und Zukunftsforscher maßgeblich an der Entwicklung des „Denkanstoßes Covid-19“ im Auftrag des Landeshauptmannes von Südtirol, abgestimmt mit der Landesregierung von Südtirol, beteiligt. Im Mai 2021 folgte eine Publikation zur Zukunft der europäischen Generika- und Biosimilarsindustrie in Kooperation mit dem bundesdeutschen Branchenverband Pro Generika e.V. Mit dem Journalisten Gerd Felder sprach er über die Disziplin „Zukunftsforschung“ und seinen ganz persönlichen Blick auf das gegenwärtige Pandemiegeschehen:
Herr Prof. von der Gracht, in Deutschland gibt es aktuell nur einen Lehrstuhl für Zukunftsforschung an einer Hochschule. Was macht ein Zukunftsforscher?
Ja, schade – oder? Zukunft ist so wichtig, Zukunft geht uns alle an, – und dann haben wir noch nicht mal eine Handvoll Lehrstühle. Immerhin haben wir rund ein Dutzend Professoren, die quasi neben ihrem Hauptfach Soziologie oder Erziehungswissenschaft auch Zukunftsforschung betreiben. Was ein Zukunftsforscher macht? Was wir alle machen, wenn wir den Koffer für den Urlaub packen: in die Zukunft schauen. Nur machen wir das wissenschaftlich fundiert unter Einsatz von über 40 Methoden der Zukunftsforschung. Pandemien wie die aktuelle zum Beispiel haben bereits die ersten Zukunftsforscher der Historie vor mehr als 500 Jahren vorhergesagt.
Sie haben einmal gesagt: „Ein wenig Angst schadet nie.“ Gilt das auch für Corona? Und wenn die Zukunftsforschung auch unerwartete Ereignisse erfassen kann, stellt sich die Frage: Haben Sie Corona vorhergesehen?
Wie gesagt: Ich war weder der Erste noch der Einzige. Die Pandemie als archetypische Katastrophe gehört praktisch seit Erfindung der Zukunftsforschung zum Standard-Repertoire künftiger Szenarien. Dass Corona so viele Menschen überrascht hat, überrascht den Zukunftsforscher. Wir sollten generell öfter und stärker mit plötzlichen und erschütternden Ereignisse wie außergewöhnlichen Naturkatastrophen planen. Oder auch damit, dass wir schon in wenigen Jahren alle eine Künstliche Intelligenz in der Jackentasche mit uns tragen könnten, die uns in allen Lebenslagen mit übermenschlicher Intelligenz den richtigen Weg weist.
Eine ganz entscheidende Frage, über die viel diskutiert wird, lautet: Wird unsere Welt nach Corona wieder genau so sein wie vorher, oder wird, vielleicht muss sie sich sogar radikal ändern? Bietet Corona womöglich auch Chancen?
Es wird noch ein Jahrzehnt dauern, bis die armen Länder Corona verwunden haben. Bei uns wird es zwei, drei Jahre dauern. Für die Zehntausenden-Corona-Geschädigten, deren Lunge zum Beispiel nur noch auf 30 Prozent pumpt, ist Corona eine lebenslängliche Heimsuchung. Und wenn wir eine Pandemie brauchen, um unsere Chance zu nutzen, dann können und sollten wir als Menschheit einpacken. Chancen gibt es jeden Tag. Nur weil wir sie im ganz normalen Alltag nicht täglich nutzen, trudeln wir überhaupt in solche Katastrophen wie die Pandemie.
Sie wollen das komplette Interview lesen? Dann werfen Sie jetzt einen Blick in das Buch „Unser Corona-Jahr: Wie Rheinländer die Pandemie erleben“ von Gerd Felder, veröffentlicht im Eifeler Verlag.