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Erfahrungsbericht

„Tollen Spagat zwischen Entrepreneurship und nachhaltigem Unternehmertum!“

Im Experteninterview mit Gründer und SIBE-Alumnus Oliver Queck - Projektgebendes Unternehmen während des Studiums: MCGM Management Consulting GmbH, Programm: MBA in General Management

Oliver Queck beendete 2010 erfolgreich sein MBA-Studium an der SIBE in Kooperation mit der MCGM Managmenet Consulting GmbH. Danach arbeitete er in leitender Funktion bei T-Systems. 2016 gründete Oliver Queck das Social Startup "JobKraftwerk.com". Heute spricht er als Experte über das Thema "Social Entrepreneurship" und die Entwicklung seines eigenen sozialen Unternehmens.

Erststudium: Luft- und Raumfahrttechnik
Kurs: WO38
Abschlussjahr: 2010

Lieber Herr Queck, vor zwei Jahren haben Sie bereits, gemeinsam mit der SIBE, einen Erfahrungsbericht veröffentlicht. Einige Monate vor dem Bericht, im Mai 2016, gründeten Sie ihr Social Startup „JobKraftwerk.com“.

 

Könnten Sie kurz erzählen, was „JobKraftwerk.com“ ist?

Angefangen haben wir mit einer mehrsprachigen, Smartphone-basierten Kompetenzerfassung. Diese hat Geflüchtete mit einem aussagekräftigen, deutschen Lebenslauf ausgestattet, welcher für Bewerbungen und Qualifizierungsmaßnahmen frei verwendet werden kann. Auf dieser Basis haben wir ein regionales Job-Matching aufgebaut, um die Barrieren zwischen Unternehmen und Geflüchteten innerhalb einer geografischen Region zu minimieren.

Mittlerweile verstehen wir JobKraftwerk als Integrations- und Case-Management-Lösung. Diese bringt alle an der Integration von Geflüchteten beteiligten Parteien, Geflüchtete, Sozialarbeiter, Integrationsmanager, Ehrenamtliche, Unternehmen etc., auf einer regionalen Plattform zusammen. Das Ziel ist es, den komplizierten Integrationsprozess aktiv zu unterstützt und allen geeignete Werkzeuge für ihre Arbeit an die Hand zu geben. Zu diesem Zweck arbeiten wir sehr eng mit den öffentlichen Verwaltungen – Gemeinden, Städte und Landkreise – zusammen und stimmen uns beispielsweise mit dem Sozialministerium in Baden-Württemberg ab. Immer mit dem Ziel die Integration zielgenau und individuell steuern und dadurch natürlich beschleunigen zu können.

 

Wie kamen Sie zu der Idee von „JobKraftwerk.com“? Welche Vision steckt dahinter? Welche Mission verfolgen Sie?

Mein Mitgründer Tom Lawson und ich hatten schon lange den Wunsch unser Wissen und unsere Fähigkeiten für etwas einzusetzen, das eine größere Auswirkung hat, als die nächste PowerPoint- Präsentation für den Vorstand. Wir haben uns schon seit Anfang 2015, in unserer gemeinsamen Zeit bei der Deutschen Telekom, mehrere akute, gesellschaftliche Herausforderungen angeschaut, welche wir z. B. mit einer digitalen Plattform und optimierten Prozessen lösen könnten.

Der ausschlaggebende Punkt für JobKraftwerk war ein Kontakt zur Integrationsbeauftragten des Landkreises Reutlingen. Sie wollte, quasi mit dem Klemmbrett und einem Bleistift, von allen ca. 3.000 Geflüchteten im Landkreis, Kompetenzen erfassen und damit auf Arbeitgeber in der Region zugehen. Das war für uns der Punkt, an dem klar war, dass wir mit unserer Erfahrung in der Prozessberatung und dem Aufbau von digitalen Plattformen einen wirkungsvollen Beitrag leisten können.

 

Welche Entwicklung hat Ihr Unternehmen in den letzten zwei Jahren durchlaufen?

Die Zeit von der ersten Idee über den Businessplan, die Anschubfinanzierung und die Kündigung meiner leitenden Tätigkeit bei T-Systems, bis hin zum ersten Prototypen hat etwas weniger als 3 Monate in Anspruch genommen. Entscheidend war auch, dass wir während der Entwicklung des Prototyps unseren heutigen Mit-Geschäftsführer und CTO Benedikt Frings kennengelernt haben und so unser Team auf der technischen Seite optimal aufstellen konnten. Auch das ging sehr schnell, da die Chemie zwischen uns einfach gepasst hat und es noch heute tut. Das Team ist einer unserer und auch generell der entscheidende Erfolgsfaktor beim Gründen.

Ein weiterer Aspekt ist bis heute: schnell zu sein. Auf dem Weg von neue Funktionen bis zum Prototyp vergehen bei uns in der Regel nur wenige Tage. Aufgrund der Geschwindigkeit und den Tests der Prototypen direkt am Kunden, sehen wir sehr schnell, ob neue Funktionen den Bedarf decken. Eine Folge der Schnelligkeit ist jedoch, dass wir bereits mehrfach pivotiert sind und sowohl unser Geschäftsmodell als auch unsere Kundengruppen geändert und angepasst haben.

Natürlich hatten wir auch eine Durststrecke. Aktuell sieht es aber sehr gut aus, sodass wir seit Mitte letzten Jahres unser Team weiter ausbauen konnten. Mittlerweile sind neben uns Dreien noch zwei weitere Personen in Entwicklung und Service Management an Bord. Ehrlich gesagt ist das aber eine Herausforderung für uns, da Tom, Benedikt und ich uns mittlerweile blind verstehen und gleich denken. Jemanden von außen ins Boot zu holen ist da nicht einfach, weil man auf einmal Strukturen, wie HR Prozesse braucht, die natürlich auch erstmal, zumindest gefühlt, verlangsamen. Ich sehe uns aber auch hier auf einem guten Weg und für ein Startup, dank unserer Erfahrungen in großen Konzernen, gut aufgestellt.

In Ihrem letzten Gespräch mit der SIBE sagten Sie, dass eine große Herausforderung Ihres Unternehmens, die Kostendeckung sei, da es sich bei Ihrem Unternehmen nicht um eine Non-Profit-Organisation, wohl aber um ein soziales Unternehmen handelt.

 

Wie sieht es jetzt, zwei Jahre später aus? Haben Sie diese Herausforderung meistern können? Wo sehen Sie nun die größten Herausforderungen?

Nachdem wir nun ein auf Kundenseite und bei uns tragfähiges Geschäftsmodell entwickelt und etabliert haben, liegt unsere Herausforderung aktuell bei dem Wachstum. Wie jede digitale Plattform lebt auch JobKraftwerk von der Skalierung, auf welche sowohl Kosten als auch Preis ausgelegt ist. Unsere Pipeline ist aber gut gefüllt, auch wenn die teilweise langen Entscheidungsprozesse in der öffentlichen Verwaltung für ein Startup ab und zu schwierig nachzuvollziehen sind.

Wir schaffen einen tollen Spagat zwischen Entrepreneurship und nachhaltigem Unternehmertum. Aber es ist mittlerweile generell kein Problem mehr, dass ein sozial agierendes Unternehmen nicht zwangsläufig auf Spenden basiert und letztendlich davon abhängig ist.

Unser nächster Schritt, um das Wachstum beschleunigen zu können, ist nun die Suche nach Investoren, was sich mit unserem Modell nicht ganz einfach gestaltet. Wir sind in Hinsicht auf unsere Aufstellung doch noch ein wenig besonders. Theoretisch sind wir ein klassischer Fall für Förderungen, wie sie z. B. Stiftungen durchführen. Da wir aber nicht gemeinnützig sind, also kein „g“ vor unserer GmbH haben, kommt solch eine klassische Förderung nicht infrage.

Im Bereich Impact Investing haben Stiftungen in Deutschland, im Gegensatz zu den USA, noch keine nennenswerten Erfahrungen gemacht und starten gerade erst in dieser Richtung. Für einen klassischen Venture Capital sind Startups im Public Sector noch schwer zu greifen und zu bewerten.

 

Wie sieht der Alltag eines Social Entrepreneur aus? Unterscheidet sich dieser von dem eines gängigen Gründers? Wo sehen Sie die größten Unterschiede?

Ich denke nicht, dass es einen großen Unterschied zwischen beiden gibt. Außer vielleicht, dass wir sehr viel mit allen unseren Nutzern von JobKraftwerk interagieren und das nicht nur um alle Bedürfnisse abzudecken. Nur die Akzeptanz aller Beteiligten führt zum Erfolg von JobKraftwerk in einer Region.

Generell ist Gründen kein 9-to-5-Job und an Vielfältigkeit kaum zu überbieten. Von Strategie, Produktdesign, Service bis hin zu Buchhaltung ist alles quasi jeden Tag dabei. Immer durchzogen von kurzfristigen Themen, z. B. wenn der Kunde etwas Dringendes an uns heranträgt.

Arbeite ich weniger als in meiner leitenden Position vorher? Nein. Ich teile mir meine Zeit jedoch frei ein und entscheide selbst was dringend und wichtig ist. Das ist ein tolles Gefühl von Freiheit, welches einen guten Gegenpol zur finanziellen Unsicherheit darstellt, die man als Gründer nach einer Konzernkarriere natürlich in Kauf nehmen muss. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Man muss nur harte Check punkte setzen, an denen man sich auch mal entscheidet abzubrechen, wenn der notwendige Erfolg nicht eintritt.

 

Wie wird Ihr soziales Geschäftsmodell angenommen?

Dadurch, dass wir unser Modell mehrfach angepasst haben, haben wir mittlerweile einen sehr guten Product-Market-Fit und so viel Know-how aufgebaut, das wir wissen, welche Punkte wir setzen müssen, um die Aufmerksamkeit der potenziellen Kunden zu generieren. Wichtig dafür ist aber auch, dass unsere bisherigen Kunden wirkliche tolle Multiplikatoren sind und über JobKraftwerk aus der Praxis berichten. Das schafft Vertrauen und ist manchmal enorm hilfreich, um überhaupt Termine bei Bürgermeistern oder Amtsleitern zu bekommen. Sind wir erstmal bei der Präsentation, ist die Offenheit der öffentlichen Verwaltung sehr groß und wir kommen schnell in eine zielführende Diskussion.

 

Wie sehen Sie die Entwicklung und Bedeutung von Social Startups in den nächsten Jahren? Auch in Hinsicht auf die gesteigerte Gründungsrate herkömmlicher Startups?

Meine Meinung nach wird die Bedeutung von sozialen Startups stark ansteigen. Viele potenzielle Gründer sehen bereits, dass auch gemeinnützige Themen oder Themen mit Social Impact erfolgreich sein können. Dafür gibt es ja viele gute Beispiele, wie z. B. unseren Partner „ReDi School“ oder „GoVolunteer“. Wenn sich Investoren auch dafür entscheiden stärker in soziale Themen zu investieren und Stiftungen in das Thema Impact Investing einsteigen, wird das eine beschleunigende Auswirkung auf die Entwicklung von Social Startups haben.

 

Wo sehen Sie „JobKraftwerk.com“ in fünf Jahren?

Wir möchten auf jeden Fall den Social Impact weiter ausgedehnt und noch mehr Menschen erreicht haben. Das bedeutet auf der einen Seite, neue Features zu entwickeln, welche die Integration von vielen Bedürftigen unterstützen. Hiermit meine ich explizit nicht nur Geflüchtete. Andererseits bedeutet es aber auch, dass wir geografisch expandieren. Dazu brauchen wir natürlich ein größeres Team in Entwicklung und Service und gegebenenfalls auch eine stärkere Präsenz in den Ländern, in denen wir aktiv sind. Aktuell liegt unser Fokus aber ganz klar auf Deutschland. Hier besteht ein enormer Bedarf.

 

Welche drei Tipps würden Sie angehenden Gründern, vor allem im sozialen Bereich, mit auf den Weg geben?

Das ist ziemlich einfach und alles andere als pauschalisiert:

 

Nachhaltigkeit für Impact und Geschäftsmodell FIRST

Das Team ist ENTSCHEIDEND

Hypothesen VERIFIZIEREN oder falsifizieren und WEITERMACHEN oder pivotieren

 

 

Einen ausführlichen Beitrag zu Oliver Queck und seinem Unternehmen finden Sie im Transfermagazin auf Seite 38.