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FAQ

Erfahrungsbericht

„Starker Fokus auf Innovationskraft und lösungsbasiertem Denken“

Experteninterview Frau Inkeri Klomsdorf -ZEISS Vision Care

Im Gespräch mit Frau Inkeri Klomsdorf über die Digitalisierung in der Medizin und Medizintechnik.

Hallo Frau Klomsdorf! Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für unser heutiges Gespräch genommen haben. Wir würden uns freuen, wenn Sie sich unseren Leser*Innen kurz vorstellen würden.

Mein Name ist Inkeri Klomsdorf, ich bin 38 Jahre alt und Head of Remote Exam Platforms sowie Director Vision Technology Solutions bei ZEISS Vision Care, ein Teil der Consumer Markets Sparte der ZEISS Gruppe. Ich bin seit 2011, also seit 10 Jahren, bei ZEISS Vision Care und habe seitdem innerhalb des Unternehmens verschiedenste Stationen und Bereiche kennengelernt und geleitet. Meine Karriere im Unternehmen fing 2011 im Personalbereich an. 2015 bin ich zu Vision Technology Solutions gewechselt, wo ich noch heute tätig bin. Hier leitete ich zunächst zwei Jahre lang den internationalen Service für unsere Medizintechnikprodukte. Seit 2017 war ich dann für das Produktmanagement sowie das Trainee Programm verantwortlich. Nun treibe ich seit 2019 aktiv unsere internen digitalen Plattformen voran. Aufgrund der Komplexität der Planung und Umsetzung digitaler Plattformen führe ich dies natürlich nicht alleine durch, sondern gemeinsam mit meinem multidisziplinären Team, welches aus Kolleg*innen aus unterschiedlichsten Fachbereichen besteht.

Vielen Dank! Nun wollen wir auch schon inhaltlich einsteigen: Bekanntlich sind Digitalisierung bzw. die Digitale Transformation zentrale Treiber eines tiefgreifenden Wandels im 21. Jahrhundert. Dieser Wandel bringt sowohl Herausforderungen mit sich, als auch viele neue Perspektiven und Chancen für Gesellschaft, Politik und Industrie.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Treiber der Digitalisierung in der Medizintechnik-Branche?

Also ich möchte gleich vorwegnehmen, dass ich nicht für die gesamte Medizintechnik-Branche sprechen kann. Wir produzieren zwar medizinische Geräte und bieten Software- und Gerätelösungen an, die regulatorisch und gesetzlich als Medizintechnik kategorisiert werden, jedoch ist die gesamte Medizintechnik-Branche weitaus vielschichtiger.

Dennoch sind für uns bei ZEISS Vision Care der größte Treiber der Digitalisierung ganz klar die Endkund*innen, da mit ihnen alles steht und fällt. Einerseits treiben sie durch ihre Forderungen nach digitalen Lösungen die Digitalisierung voran. Andererseits müssen sie aber auch neue oder bestehende digitale Angebote annehmen. Nehmen die Endkund*innen die digitalen Lösungen und Angebote nicht an, ist die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns groß. Ein gutes Beispiel dafür ist Yahoo, die ihre Suchmaschine zu früh und in einer Zeit auf den Markt brachten, in der die Endkund*innen noch gar nicht bereit für ihr Produkt waren. Daher hat die Digitalisierung für Unternehmen ihre Grenzen, die letztendlich durch die Verbraucher*innen bestimmt werden. Hierzu denke ich auch, dass gesetzliche Rahmenbedingungen und Regularien nur bedingt die Digitalisierung vorantreiben können, wenn letztendlich die Abnehmer*innen fehlen und somit kein Markt existiert.

Was sind Ihrer Meinung nach die drei größten Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung für ZEISS Vision Care/ die Medizintechnik-Branche?

Insgesamt ist die Digitalisierung ja ein kontinuierlich fortlaufender Prozess des Wandels, in dem meiner Meinung nach die Endkund*innen und Patient*innen im Mittelpunkt stehen sollten. Hier denke ich, liegt auch die größte Herausforderung der Digitalisierung. Einerseits müssen Unternehmen stets am Wandel dranbleiben, ihm durch innovatives Denken einen Schritt voraus sein und somit langfristig Mehrwerte für die Verbraucher*innen schaffen. Andererseits müssen Unternehmen jedoch den Weg des Wandels gemeinsam mit ihnen gehen, um zu vermeiden, dass sie nicht davon überfordert sind.

Eine weitere große Herausforderung in der Medizintechnik-Branche sind auch ganz klar die gesetzlichen Rahmenbedingungen und Regulierungen. Selbstverständlich sind diese richtig und wichtig, da das oberste Gebot unserer Branche der Patientenschutz ist. Dennoch ist es teilweise eine immense Herausforderung trotz der extrem hohen Regulierungslast modern und digital zu bleiben sowie den Innovationsgedanken voranzutreiben. Aber wie bereits gesagt, Herausforderungen bedeuten auch zugleich Chancen. Unter anderem um diese Herausforderungen zu meistern investiert ZEISS daher z.B. jährlich dreizehn Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung.

Welche Aspekte werden Ihrer Meinung nach grundlegend benötigt, um die Digitalisierung in der Medizintechnik-Branche zu realisieren?

Um die Digitalisierung zu realisieren, braucht man theoretisch die Regularien nicht. Für die Realisierung sind in erster Linie innovativ, digital, agil und lösungsorientiert denkende Menschen wahnsinnig wichtig. Ich bin immer eine Verfechterin davon, dass der Faktor Mensch oder Human-Faktor ein riesiger Aspekt bei Digitalisierung ist. Hier meine ich nicht nur den Menschen auf der Seite von Endkund*innen und Patient*innen, sondern eben auch auf der unternehmerischen Seite. Beispielsweise brauchen wir zukünftig mehr Menschen, die sich von Hürden und Herausforderungen, wie gesetzlichen Regularien, nicht entmutigen lassen, sondern diese als etwas Gutes sehen, um neue Lösungsansätze und Wege zu schaffen.

Hierbei ist Change Management ein ganz wichtiger Aspekt, den viele Unternehmen meines Erachtens nach noch unterschätzen. Unternehmen können ja nicht von heute auf morgen eine ganze Belegschaft auf innovativ, digital, agil, etc. umstellen. Sie müssen daher in Change Management investieren, um alle Menschen in einem Unternehmen mitzunehmen. Schaffen die Unternehmen dies nämlich nicht, werden sie langfristig am Markt verlieren.

Ein weiterer Aspekt für die Realisierung der Digitalisierung ist auch immer das gesamte wirtschaftliche Umfeld. Denn wenn es einem Land wirtschaftlich nicht gut geht oder die gesamte Infrastruktur nicht steht, kann auch keine Innovationskraft entstehen und Innovationen geschaffen werden. Natürlich gibt es hier vereinzelt Beispiele, die das Gegenteil beweisen, jedoch ist es meiner Meinung nach nicht die Norm.

Insgesamt ist das ganze Ökosystem ein grundlegender Aspekt der Digitalisierung. Es müssen sowohl Menschen da sein, die die Digitalisierung vorantreiben wollen, als auch Unternehmen, die es diesen Menschen ermöglichen, die Digitalisierung zu realisieren. Wichtig ist auch, dass Unternehmen offen und bereit für Innovationen sind und z.B. für ihre Mitarbeiter*innen eine Umgebung schaffen, in der ein Innovationssamen auch keimen kann. Zuletzt muss dann noch die gesamtwirtschaftliche Lage sowie die bestehende Infrastruktur Innovationen zulassen.

Wie kann die School of International Business and Entrepreneurship (SIBE) der Steinbeis-Hochschule Sie und die gesamte Medizintechnik-Branche Ihrer Meinung nach dabei unterstützen, die Digitalisierung aktiv zu gestalten?

Wie bereits gesagt, ist der Human-Faktor ein grundlegender Aspekt für die Digitalisierung. Das ist genau der Punkt, wo die SIBE ins Spiel kommt und die Digitalisierung aktiv mitgestaltet. Zum Beispiel können wir uns darauf verlassen, dass die SIBE, ähnlich wie wir, bei Ihrem Auswahlprozess der Studierenden im Online Assessment Center auch einen starken Fokus auf die Innovationskraft und das Solution-oriented-thinking der Bewerber*innen legt. Dadurch erhalten wir von der SIBE ein Sounding und Sparring, ob die für uns wichtigen Kompetenzen bei einzelnen Bewerber*innen und Studierenden stark ausgeprägt sind oder nicht.

Des Weiteren glaube ich, dass die Inhalte der Studiengänge hilfreich sein können, da die Studierenden viel über die Digitalisierung und digitale Business Modelle lernen.

Unabhängig von dem Human-Faktor und den SIBE-Studierenden glaube ich, dass die SIBE aufgrund Ihres Netzwerkes ZEISS oder die Medizintechnik-Branche weiter unterstützen kann, indem sie die Partnerunternehmen miteinander vernetzt. Ich denke, dass somit ein branchenübergreifender Unternehmensaustausch durch die SIBE ermöglicht werden kann, bei dem sogar zukünftige gemeinsame Projekte entstehen könnten. Dies geschieht ein stückweit ja auch schon durch den Kursverbund der Studierenden, die sich aus verschiedensten Branchen und Unternehmen untereinander vernetzen und austauschen.

Welche Vorteile sehen Sie in dieser Zusammenarbeit?

Die Vorteile sind ganz klar, der Kontakt zu anderen Unternehmen und die sehr aktuellen Studieninhalte. Gerade weil die SIBE keine staatliche Uni ist, kann sie eben die Studieninhalte schneller und flexibler anpassen.

Wie Sie wissen, ist im Oktober 2020 das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) in Kraft getreten. Welche Aspekte dieses Investitionsprogrammes schätzen Sie als besonders relevant für ZEISS Vision Care und die Medizintechnik-Branche insgesamt ein?

Grundsätzlich finde ich ein Investitionsprogramm in Richtung Digitalisierung gut und begrüßenswert, da damit die Mühlen der Digitalisierung, wenn sie dann erst einmal angelaufen sind, besser und flüssiger laufen können. Jedoch würde ich gerne zuerst klarstellen, dass wir bei ZEISS Vision Care per se keine Krankenhäuser als Kunden haben und haben werden. Deshalb werde ich versuchen, die Frage eher allgemein zu beantworten.

Meiner Meinung nach ist es fraglich, ob man die Digitalisierung in einem Gesetz regeln muss. Hier komme ich wieder darauf zurück, dass in erster Linie die Verbraucher*innen die digitalen Produkte, Lösungen und Angebote annehmen müssen. Die Frage, die ich mir hier stelle ist, ob es nicht an einer falschen Stelle den Druck zur Digitalisierung erhöht. Dennoch finde ich es nicht verkehrt, wenn solche Investitionsprogramme Branchen und Sparten, denen die Digitalisierung besonders schwerfällt, wie z.B. die Krankenhäuser, dabei unterstützen, diesen Wandel voranzutreiben und umzusetzen.

Insgesamt denke ich, dass das KHZG definitiv für die Medizintechnik-Branche relevant sein wird, da die Nachfrage nach Digitalisierung und digitalen Lösungen und Angeboten in der Medizin steigen wird. Aber wie bereits gesagt, ist die Frage eher, wie sinnvoll es ist nur punktuell an einer Stelle wie bei den Krankenhäusern zu investieren und ob es nicht vielleicht generell besser wäre, dieses Investitionsprogramm größer anzulegen, damit die ganze digitale Wertschöpfungskette, anstatt einzelner Akteure, daran partizipiert.

Wie könnte ZEISS Vision Care und die Medizintechnik-Branche vom KHZG profitieren?

Ich glaube, dass wir zukünftig viele neue Digitalisierungsinitiativen sehen werden, sodass die Nachfrage nach digitalen Produkten steigen wird. Dies wird automatisch dazu führen, dass die Medizintechnik-Branche sich stärker Richtung Digitalisierung verändern wird. Denn letztlich wird die Nachfrage von Endkund*innen und Patient*innen die Angebote auf dem Markt steuern und regulieren. Je mehr Endkund*innen und Patient*innen digitale Produkte anfragen, umso eher werden die Unternehmen diese Anfragen auch bedienen müssen. Hier liegt dann auch eine neue Chance, von der die Branche profitieren kann.

Vielen Dank für Ihre Zeit und die wertvollen Einschätzungen!